© Anderwald + Grond
- English translation by Gerrit Jackson -
Turbulence is part and parcel of thinking. The subject is dizzied. Sometimes it crashes. No thinking without risks. The most dangerous option is not always the best one. The altogether safe one, meanwhile, is not one. What philosophy shares with art is that they hazard the venture of not knowing. That is true even of the architectonic systems of German Idealism. What are Hegel’s projected systems if not a scaffold that is fraying on all sides and undergoing perpetual reconstruction? At the center of the scaffold: the absolute = the void. Just as a dead god resides at the heart of all faith, nothingness persists in the system that is its negation and affirmation in one. There is no non-architectonic thinking. Even a thinking in scattered notes has an architecture. The latter is not the index of the existence of a transcendental signified. If it were, it would not exist and have no meaning. To think is to approach the inexistence of God. Only in the willingness to be lost to oneself does something like a self constitute itself. Or a subject, as long as by subject we mean the placeholder of its absence. Jean-Luc Nancy speaks of the intoxication of reason turned to the absolute. It edges toward the nameless that has long haunted it. The point can never be to take possession of it. It is by definition impossessible. The point is to acknowledge its presence as the index of my ontological inconsistency. This very acknowledgment, which can cost me everything, is what we can call thinking.
- German original -
Zum Denken gehört Turbulenz. Das Subjekt taumelt. Manchmal stürzt es ab. Kein Denken ohne Risiken. Nicht immer ist die gefährlichste Option die beste. Die gänzlich ungefährliche wiederum ist keine. Mit der Kunst verbindet die Philosophie, sich dem Wagnis des Nichtwissens auszusetzen. Das gilt noch für die Systemarchitekturen des Deutschen Idealismus. Was sind Hegels Systementwürfe anderes als ein sich nach allen Seiten hin ausfransendes Gerüst im permanenten Umbau? Inmitten des Gerüstes: das Absolute = die Leere. Wie im Herzen jedes Glaubens ein toter Gott wohnt, persistiert im System das Nichts, dessen Negation und Affirmation es in einem ist. Es gibt kein nichtarchitekturales Denken. Auch das in Notizen verfügt über eine Architektur. Sie ist nicht Index der Existenz eines transzendentalen Signifikats. Sonst existierte sie nicht und hätte keinen Sinn. Denken heißt, sich der Inexistenz Gottes zu nähern. Erst mit der Bereitschaft, sich verloren zu gehen, konstituiert sich so etwas wie ein Selbst. Oder ein Subjekt. Solange wir unter dem Subjekt den Platzhalter seiner Absenz verstehen. Jean-Luc Nancy spricht von der Trunkenheit der dem Absoluten zugekehrten Vernunft. Sie bewegt sich aufs Namenlose zu, von dem sie längst heimgesucht ist. Nie geht es darum, es in Besitz zu nehmen. Es ist per definitionem unbesitzbar. Es geht darum, seine Gegenwart als Index meiner ontologischen Inkonsistenz anzuerkennen. Eben diese Anerkennung, die mich alles kosten kann, ist, was wir Denken nennen können.